Dienstag, 17. April 2012

Interview mit Andrea Scharnweber

Interviewer (I): Frau Scharnweber, Sie haben heute im Bürgerhaus Sprechzeit. Diese möchte ich gerne nutzen, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen. 

Andrea Scharnweber (AS): (lächelt) Dafür bin ich da. Zweimal wöchentlich habe ich Sprechzeiten und bin für Fragen und Anliegen von Einwohnern offen. Ich bin auch an anderen Tagen hier. Dann sieht  mein Büro mitunter jedoch eben wie ein Büro aus: überall liegen Papiere, auch auf dem Boden. Aber während der Sprechzeiten bemühe ich mich um Ordnung. Dann steht die Tür meines  Büros offen, Dienstag am Nachmittag sowie Donnerstag am Vormittag. 

I: Kommt denn da eigentlich jemand?

AS: Ja, seit ich im Januar hier das Büro eingerichtet habe, wird diese Sprechzeit genutzt. Schlange stehen musste noch niemand, aber in den drei Stunden der Sprechzeit  kommt immer jemand vorbei. Darüber freue ich mich. Manche haben eine Idee und wir überlegen gemeinsam, wie diese umgesetzt werden kann. Andere kommen einfach so- auf´n Schnack. Und manchmal entwickeln sich daraus Ideen. Grundsätzlich ist es so, dass ich auch Hilfe geben kann, wenn z.B. Formulare ausgefüllt werden müssen, wenn Fragen und Wünsche anliegen, wenn Sorgen auftreten. Und dort, wo meine Kompetenzen nicht ausreichen, leite ich an entsprechende Personen weiter. Dafür haben wir Kooperationspartner.

I: Wieso trägt das Dörphus jetzt  auch den Zusatz Mehrgenerationenhaus? 

AS:  Ausschlaggebend war, dass überlegt werden musste, wie das Dörphus weiter genutzt und langfristig finanziert werden kann. Hier finden schon einige Aktivitäten, wie bspw. Familienfeiern oder der Karneval statt. Für die Hiesigen hat das einen festen Stellenwert und so soll es bleiben. Entsprechend  haben wir uns vor einem halben Jahr beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben als Mehrgenerationenhaus beworben und haben den Zuschlag erhalten. Nun wird unser Mehrgenerationenhaus „Dörphus im Peenetal“ über eine Laufzeit  von drei Jahren aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert.

I:  Wer sind wir?

AS: Die Idee dazu hatte unser engagierter Bürgermeister Eckhart Zobel. Auf einer Gemeindevertreterversammlung im vergangenen Frühjahr wurde beschlossen, dass sich die Gemeinde als Träger bewirbt. Im Mai 2011 gab es eine Bürgerwerkstatt, in welcher wir detailliert zusammentrugen, welche Angebote und Möglichkeiten es hier schon gibt und was sich die Menschen darüber hinaus wünschen. Daraus ist das Konzept entstanden.  Ziel ist es, eine möglichst breite Beteiligung zu erreichen und die Interessen aller Einwohner, vom Kind bis zum Senior unter unserem Dach zu vereinen.

I: Das verstehe ich noch nicht so ganz.

AS: Lassen Sie es mich bildlich ausdrücken. So habe ich es auf dem letzten Plenum erzählt: Ich bin ein Bauer  und stehe vor einem Allmende Feld (Allmende Gebiete waren bis ins Mittelalter von freien Bauern gemeinschaftlich bewirtschaftete Wald- und Feldgebiete). Es ist Frühjahr und ich habe eine Hand voll Samen. Ich habe bereits ein Stück vom Feld umgegraben und sehe, dass es Andere ein Stück weiter auch schon vorher getan haben. Nun stehe ich vor dem großen Allmende Feld und frage mich, ob ich die Saat nur auf einem kleinen Stückchen davon ausbringe oder die gesamte Fläche nutze. Denn ich weiß: die gesamte Fläche bewässern und pflegen kann ich nicht alleine. Aber da es ein Allmende Feld ist, weiß ich, dass alle Menschen ernten werden. Und so verteile ich meine Saat über das ganze Feld. In der Gewissheit, dass auch andere Menschen mit mir gießen, pflegen und ernten werden. 

I: Sie hoffen auf Unterstützung seitens der Bürger?

AS: Wichtig ist, dass die Menschen hier wissen, dass ihnen nichts weggenommen wird. Wir wollen nur noch etwas dazutun, um in einer solidarischen Gemeinschaft zu leben und um die Infrastruktur zu stärken. Das ist es auch, was sich die Einwohner wünschen. Da ist das bürgerliche Engagement unentbehrlich.  

I: Woher wissen die Einwohner was das Mehrgenerationenhaus plant und anbietet?

AS: Jeden letzten Dienstag im Monat findet um 19 Uhr das sogenannte Plenum  im Dörphus statt. Das ist ein Treffen, auf welchem sich die Engagierten und Interessierten austauschen, auf welchem wir Pläne schmieden und Nägel mit Köpfen machen. Außerdem werden Veranstaltungen über Flyer, eine Ankündigung im Loitzer Boten oder unseren E-Mail Verteiler bekannt gegeben. Wer sich hier also eintragen lassen möchte, kann mir dies mitteilen. Ab Sommer wird es für jeden Haushalt ein Programm geben.  Derzeit arbeiten wir auch an einer  Internetseite, auf welcher alles zu finden sein wird.

I: Worum geht es beim nächsten Plenum am 25. April?

AS: Zunächst schenken wir unseren Engagierten besondere Aufmerksamkeit: Frau Tuve hat im Kindergarten eine Musizier- und Bewegungswerkstatt ins Leben gerufen. Wir werden unser Mittagstischangebot besprechen. Außerdem werden wir unser Kinoprogramm  plus Orte vorstellen und weiterplanen. Ein weiterer Punkt werden die Feste sein, welche übers Jahr gemeinsam gefeiert werden.  Und sicherlich wird der offene Treff wieder ein Tagespunkt sein. Ich möchte hiermit alle einladen, einfach mal vorbeizuschauen.

I: Der offene Treff ist ein Thema, welches offensichtlich schon mehrmals besprochen wurde? Ich kann mir darunter noch gar nichts vorstellen.

AS: Geht mir ähnlich. Diese Offenheit meinerseits möchte ich nutzen, um den Engagierten viel Gestaltungsspielraum zu geben. Voraussetzung  und zentraler Punkt eines jeden Mehrgenerationenhauses jedoch ist der offene Treff. Dieser wird im ehemaligen Gaststättenraum entstehen.  
Stellen Sie sich vor, Sie kommen am Dörphus vorbei, es regnet, Ihre Kinder sind nörgelig, Sie sind erschöpft und genervt. Dann sehen Sie, dass im Dörphus Licht brennt und Sie sehen andere Kinder drinnen Brettspiele spielen. Sie betreten den offenen Treff und helle Freundlichkeit kommt Ihnen entgegen, es riecht nach Kaffee und frischen Waffeln. Ihre Kinder erkennen ihre Kindergarten- oder Schulfreunde und sind sogleich beschäftigt. Auch Sie treffen einen Nachbarn, den Sie lange nicht gesehen haben und spielen nebenan Tischtennis mit ihm.
Das wäre doch was?
Wir werden diesen Raum vorwiegend am Nachmittag für verschiedene generationsübergreifende Angebote nutzen, wie nähen, stricken, weben, filzen, malen, Ausfüllhilfe für Formulare , Chor, Spielenachmittage, Geschichtenerzählen etc..  Auch am Vormittag werden wir das Dörphus öffnen, wie bspw. für den Mittagstisch, ein offenes Atelier oder Bewegungsangebote. 

I: Apropos Bewegung: vor dem Haus steht ein großer Bus. Ist das der „Mehrgenerationenhausbus“?

AS: Richtig! Wir haben aufgrund der mangelhaften ÖPNV Struktur einen Bus für das ganze Jahr gemietet. Die langen und zeitaufwendigen Wege kennen wir, die seit der Kreisgebietsreform vor allem in die Greifswalder Ämter gemacht werden müssen. So ist es möglich, den Bus gemeinsam für solche Fahrten zu nutzen.  Der Bus steht für die Einwohner der Gemeinde in Form von Hol- und Bringediensten, für Vereine, Kirche, Schule und Kindergarten zur Verfügung.

I: Das heißt, dass das Mehrgenerationenhaus nicht nur im Dörphus aktiv ist?

AS: Angebote und Dienstleistungen sind nicht auf das Dörphus beschränkt. Hier im Koordinierungsbüro werden die Fäden gesponnen, die Angebote finden überall statt. In den einzelnen Orten der Gemeinde, wie letzten Sommer zum Beispiel: das Sommerkino für Kinder in der Kapelle Alt Jargenow. Ein Ausflug in die Greifswalder Botanikschule mit einer Führung durch die Frühjahrsblüher wird derzeit geplant. Wir sind bemüht, alle Angebote  kostengünstig oder auf Spendenbasis  durchzuführen.   

I:Erlauben Sie mir eine abschließende Frage: Was ist Ihre Motivation?

AS: Ich arbeite seit einigen Jahren in sozialen Projekten, bisher meist ehrenamtlich in Greifswald. Auch wenn Aufbauarbeit viel Kraft kostet, soziale Projekte sind toll, sie bereichern, sind sinnstiftend und füllen Ressourcen wieder auf. Mir ist es wichtig, in einer funktionierenden natürlichen Gemeinschaft zu leben. Die qualitative Begleitung des Bundesministeriums ist sehr wertvoll, die finanzielle Förderung aus dem ESF notwendig. Die Maßnahme wird aus dem Europäischen Sozialfond der Europäischen Union kofinanziert. Schlussendlich mache ich die Erfahrung, dass einige Bürger, Gemeindevertreter und Bürgermeister schon jetzt hinter dem Projekt stehen und dies bestärkt mich in meiner Arbeit enorm.

I: Vielen Dank!

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